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„dass wir im Durchschnitt jährlich etwa 15–20 000 Töpfe herstellen“

Die Produktion der Keramikwerkstatt

Franz Rudolf Wildenhain an der Töpferscheibe, um 1928

Es klingt wie eine Übertreibung, wenn Franz Rudolf Wildenhain 1931 dem Magis­trat von Halle, der die Schülerentschädigung in der Keramikwerkstatt nicht als Wochenlohn, sondern nach Stückzahl abrechnen will, schreibt, sie würden „im Durchschnitt jährlich etwa 15–20.000 Töpfe herstellen“. 1 Doch wenn man bedenkt, dass eine Werkstatt mit zwei Gesellen und bis zu sieben Lehrlingen ohne Weiteres hundert Töpfe am Tag fertigen kann, dann ist diese Zahl gar nicht so abwegig – und sie spricht von einer höchst produktiven Werkstatt, wie historische Fotos belegen.

Die Burg ist eine Kunstgewerbeschule und – als „Werkstätten der Stadt Halle“ – zugleich ein gewerblicher Betrieb. Ihre Werkstätten dienen der praktischen Ausbildung der Schüler, die sich zu einer dreijährigen Lehre verpflichten. Die Werkstattleiter erhalten eine Provision am Umsatz, die Lehrlinge werden für ihre Leistung nach Arbeitszeit und Qualität der Gegenstände wöchentlich und pauschal entlohnt. Das Material, der Ton, ist vergleichsweise billig. Erst „die Handarbeit macht das Stück zu einer kostbaren Sache“ 2, wie Wildenhain hervorhebt.

Interessant ist seine Stellungnahme vor allem auch, weil sie die Arbeitsabläufe schildert: Es ist „fast nie der Fall, dass nur ein Schüler an einem Topf arbeitet. Der eine wird den Topf drehen, der andere ihn glasieren, ein dritter ihn in den Ofen bauen und brennen. … Ausserdem entsteht fast immer (durch Trocknen, Vorbrennen, Glasieren und Garbrennen) eine Spanne von 6–8 Wochen, zwischen Drehen und dem Fertigsein eines Topfes. Eilige Bestellungen oder besondere Glasuren machen es oft nötig nur eine Sorte Ware im Ofen zu brennen, so dass manchmal wochenlang keine Arbeit des Einen, dafür viele eines Anderen gebrannt werden.“ 3 So wachsen die Schüler zu einer Gemeinschaft zusammen, in der jeder die Sorgen des anderen teilt.

Das Treiben in der Töpferwerkstatt, die Vielzahl von Bechern, Krügen, Dosen und Töpfen faszinieren auch die Journalisten – etwa wenn sie sehen, wie „unter den Händen eines Fräulein Lehrling ein bauchiges Milchtöpfchen aus der Töpferscheibe heranwächst“ oder ein „künftiger Meister auf luftgetrocknete Vasen bunte Ringelchen“ malt und das „Väschen sich auf der Scheibe dreht“, während das „Malhorn an seinem Hals entlang fährt“. Aber „daneben gibt es die großen Geheimnisse. Das der Glasur“ – beispielsweise. 4

1) STAH, Akte Finanzen Nr. 926, Bd.1, Laufzeit 1927–1933.   2) wie Anm. 1.   3) wie Anm. 1.   4) Cornelia Kopp: Glück des Schaffens. Ein Besuch in den Werkstätten der Stadt Halle, in: Häuslicher Ratgeber. 47. Jg., 1932/33, H. 9, o. S.

 

Text aus:

»Wir machen nach Halle. Marguerite Friedlaender und Gerhard Marcks«
Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in der Kunsthalle Talstrasse, Halle (Saale)