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„Was machen wir nun mit dem steinernen Adam?“ 

Die Geschichte einer Rückgabe

Gerhard Marcks, Adam, sitzend, 1926

Der sich heute im Besitz der Neuen Nationalgalerie in Berlin befindliche Adam, sitzend ist die erste in Halle entstandene Steinskulptur von Gerhard Marcks. Sie hat in der Holzplastik Adam von 1925 einen direkten Vorläufer. Und obwohl diese 1943 in der Berliner Galerie Buchholz verbrannte, scheint uns der in Nachdenken versunkene erste Adam seltsam vertraut: Er ist auf einem häufig publizierten Foto zu sehen, das Gerhard Marcks in seinem kleinen Dornburger Atelier im „Töpferschen Haus“ zeigt. Gut sichtbar steht auf der Hobelbank vor dem Fenster der hölzerne Adam. Davor sitzt auf einem niedrigen Schemel der Künstler – in einer dem Adam vergleichbaren Stellung.

Den steinernen Adam muss Marcks 1933 in Halle zurücklassen. Unter den 1953 restituierten Werken ist er nicht. Wo ist der Adam geblieben? Aufklärung bringt ein nicht auffindbarer Brief (mit Datum vom 31. Juli 1958) des Metallbildhauers Karl Müller an Gerhard Marcks, dem ehemaligen Kollegen an der Burg. Dem Brief liegen Fotos bei, darunter das hier abgebildete. Was in dem Brief gestanden haben könnte, offenbart die Antwort von Marcks, acht Tage später: „Es ist mir sehr angenehm zu wissen, dass er [der steinerne Adam] alle Stürme überstanden hat. So hat also mein Katalogvorwort (das eigentlich für eine New Yorker Ausstellung geschrieben war) doch noch einen ‚Erfolg‘ gehabt.“ 1 Bei dem erwähnten Vorwort handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um den einführenden Text von Marcks im Katalog seiner Ausstellung in der Nationalgalerie Berlin 1958. Mit Bezug auf seine frühen Arbeiten am Bauhaus schreibt er darin: „Diese Arbeiten sind bis auf ganz wenige, nachdem sie Nazis, Krieg und Bombensegen ausgelagert überstanden hatten, von den lieben Einwohnern der Stadt Halle zerstört worden – 1945 –, weil Kunsterzeugnisse dem einfachen Sinn allemal verdächtig sind.“ 2 

Im Marcks’ Brief an Karl Müller heißt es weiter: „Freilich das Gesindel, das die Bronzen gestohlen, die Holzplastiken verbrannt und die Terrakotten und Gypse zerschmissen hat – fühlt sich nicht betroffen. … Von den ‚geretteten‘ Kisten haben nur die Verpackungen interessiert. Stumpfsinn und Zerstörungswut gehen gern Hand in Hand. Was machen wir nun mit dem steinernen Adam? Die DDR wird wohl mein Eigentum nicht rausrücken, weil es nun doch ‚Kulturgut‘ ist. In diesem Falle möchte ich sie bitten, die Plastik dem Museum Halle (Dr. Werner) als Leihgabe anzubieten.“3 Doch bevor es dazu kommen kann, schenkt Marcks, wohl als Dank für seine Ausstellung, die Plastik der Ostberliner Nationalgalerie.

Am Ende seines Dankesbriefs an Müller schreibt Marcks: „Sie, Herr Müller, können ganz beruhigt sein. Sie haben wahrscheinlich das Stück gerettet. Empörend ist nur das Zerstören von Kunstwerken. Wer Freude an ihnen hat, dem würde selbst ein Diebstahl (Elgin Marbles in London etc.) nicht nur verziehen, sondern zum Lobe angerechnet werden. Ich danke Ihnen!“ 4 Die Erwähnung der „Elgin Marbles“ – ­jener Marmorskulpturen, die Lord Elgin von Bauten der Akropolis in Athen abmontieren ließ und später dem Britischen Museum in London verkaufte – ist eine vielsagende Anspielung. Marcks’ Freude ist nicht gänzlich ungetrübt.

1) Marcks an Karl Müller, Köln-Müngersdorf, 8.8.1958, STAH, Sammlung Nauhaus.  2) Marcks 1958, o. S. (S. 5).  3) Wie Anm. 1.  4) Wie Anm. 1.

 

Renate Luckner-Bien, Text aus:

»Wir machen nach Halle. Marguerite Friedlaender und Gerhard Marcks«
Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in der Kunsthalle Talstrasse, Halle (Saale)