10. Juli 2019
Käthe Kollwitz
* 8. Juli 1867 in Königsberg (Ostpreußen)
† 22. April 1945 in Moritzburg bei Dresden
Text aus dem Katalog zur Ausstellung »Die schaffende Galatea. Frauen sehen Frauen«
Die Darstellung menschlichen Leids in all seinen Facetten steht im Zentrum des künstlerischen Schaffens von Käthe Kollwitz. Aber nicht nur das Leiden anderer, für das sie großes Mitgefühl empfindet, sondern auch die eigenen Schicksalsschläge verarbeitet sie in expressionistischen Druckgrafiken und Plastiken. 1867 wird sie als Käthe Schmidt im ostpreußischen Königsberg geboren und hat das große Glück, dass ihre früh ausgeprägte Leidenschaft für das Zeichnen von ihrem Vater nicht nur erkannt, sondern massiv gefördert wird. Den ersten privaten Unterricht erhält sie bereits im Alter von vierzehn Jahren bei Rudolf Mauer und Gustav Naujok. Im Wintersemester 1886/87 beginnt sie eine Ausbildung an der sogenannten Damenakademie des Vereins der Berliner Künstlerinnen bei Karl Stauffer-Bern und erhält anschließend privaten Malunterricht in Königsberg. Im Alter von 23 Jahren heiratet sie ihren langjährigen Jugendfreund, den Berliner Kassenarzt Dr. Karl Kollwitz, der im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg eine Praxis betreibt. Da sie hier auch ihr Atelier eingerichtet hat, erlebt sie tagtäglich das soziale Elend der Arbeiterfamilien, das zu einem zentralen Thema in ihrem Werk wird. 1892 wird ihr erster Sohn Hans geboren, vier Jahre später kommt Peter zur Welt. Ihren künstlerischen Durchbruch erfährt Kollwitz mit ihrer ersten Grafikfolge Ein Weberaufstand, an dem sie, angeregt durch Die Weber von Gerhard Hauptmann, vier Jahre arbeitet und den sie 1898 auf der Großen Berliner Kunstausstellung zeigt. Max Liebermann schlägt sie daraufhin für die Auszeichnung mit einer Kleinen Goldenen Medaille vor, was jedoch von Kaiser Wilhelm II. mit der Begründung abgelehnt wird, dass Orden und Ehrenzeichen ausschließlich an die Brust verdienter Männer gehören. In den folgenden Jahren unterrichtet sie Zeichnen und Radieren an der Berliner Künstlerinnenschule und tritt 1901 der Berliner Secession bei. Sie hält sich für Studienaufenthalte mehrmals in Paris und Italien auf, wo sie die Grundlagen des plastischen Arbeitens erlernt. Ende Oktober 1914 fällt ihr jüngster Sohn Peter in der Ersten Flandernschlacht – nur wenige Tage nachdem er sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte. Da Käthe Kollwitz das Vorhaben ihres Sohnes unterstützt hatte, leidet sie neben dem Verlust des geliebten Sohnes auch massiv unter Schuldgefühlen. Sie kommt in engen Kontakt mit pazifistischen und sozialistischen Gruppierungen, die sie immer wieder mit ihren Plakatentwürfen unterstützt, ohne je einer Partei beizutreten. 1919 wird Käthe Kollwitz als erste Frau als Mitglied in die Preußische Akademie der Künste gewählt und erhält den Professorentitel. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wird sie jedoch gezwungen, die Akademie der Künste zu verlassen und das Lehramt aufzugeben. Im Sommer 1940 stirbt ihr Mann, im Herbst 1942 fällt ihr ältester Enkel. Nachdem ihr Wohnhaus in Berlin bei einem Luftangriff zerstört wird, zieht sie 1944 auf Einladung von Prinz Heinrich von Sachsen in den Rüdenhof von Schloss Moritzburg bei Dresden, wo sie wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs stirbt.
Wenn Käthe Kollwitz Frauen darstellt, dann sind dies fast immer solche, die von Krieg, Hunger, schwerer körperlicher Arbeit und anderem Leid gezeichnet sind. Es sind Witwen, Arbeiterfrauen, Schwangere und immer wieder auch trauernde Mütter und solche, die sich in schützenden Posen vor ihre Kinder stellen. In zahlreichen Varianten zum Thema „Mutter und Kind“ [5] verarbeitet sie den traumatischen Verlust ihres geliebten Kindes, so auch in ihrer wohl berühmtesten Plastik, der Pietà, in Anlehnung an das christliche Vorbild, die eine Mutter mit ihrem toten Sohn auf dem Schoß zeigt.
Kerstin Reen