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Maria Lassnig

* 8. September 1919 in Garzern (Kärnten/Österreich)
† 6. Mai 2014 in Wien

Text aus dem Katalog zur Ausstellung »Die schaffende Galatea. Frauen sehen Frauen«

Maria Lassnig ist eine der ersten Künstlerinnen, die ihren eigenen Körper und ihre Körperempfindungen ins Zentrum ihres Schaffens stellen. Zusammen mit Arnulf Rainer gilt sie zudem als Begründerin der informellen Malerei in Österreich. Als uneheliches Kind in einem kleinen Dorf in Kärnten geboren, wächst Lassnig bis zu ihrem sechsten Lebensjahr bei ihrer Großmutter auf. Dann zieht sie mit ihrer Familie nach Klagenfurt, wo sie die Ursulinen-Klosterschule besucht und 1939 als Musterschülerin die Matura (Abitur) mit Bravour besteht. Bereits als Kind zeigt sich ihr großes Zeichentalent, das durch entsprechenden Unterricht gefördert wird. Dennoch entscheidet sie sich zunächst für den Lehrerinnenberuf und arbeitet in einer Kärntner Volksschule, bevor sie sich auf Anraten eines Freundes zu einer künstlerischen Ausbildung entschließen kann. Sie wird in Wien an der Akademie der bildenden Künste aufgenommen, wo sie erst in der Meisterklasse von Wilhelm Dachauer und dann bei Ferdinand Andri und Herbert Boeckl studiert. Nach ihrem Diplom kehrt sie nach Klagenfurt zurück, bezieht dort ihr erstes Atelier und zeigt ihre erste Einzelausstellung in der Galerie Kleinmayr. Ihr Atelier wird zum Dreh- und Angelpunkt vieler Künstler, hier lernt sie auch den Maler Arnulf Rainer kennen, mit dem sie eine Beziehung eingeht. Mit ihm zieht sie wieder nach Wien, tritt in Kontakt mit der avantgardistischen Wie­ner Gruppe und gehört zum Kreis der Galerie nächst St. Stephan um Otto Mauer. In den 1960er Jahren lebt sie vorwiegend in Paris, später über zehn Jahre in New York, wo sie hauptsächlich an Animationsfilmen arbeitet und Kontakte zu feministischen Gruppen knüpft. Lange muss Maria Lassnig, die inzwischen als eine der wichtigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts gilt, auf die ihr gebührende Anerkennung warten. Erst als sie – inzwischen über sechzigjährig – 1980 nach Wien zurückkehrt, um einem Ruf als Professorin für Malerei an der Hochschule für angewandte Kunst zu folgen, erkennt die Kunstwelt ihre Bedeutung. Sie kann sich international positionieren und ihre Werke werden auf der documenta, in der Serpentine Gallery in London, im PS1 des MoMA in New York und den großen Retrospektiven in Graz und Hamburg, und zuletzt anlässlich ihres 100. Geburtstags in Basel und Wien gefeiert. Auf dem Kunstmarkt erzielt sie Höchstpreise, sie wird mit Preisen überhäuft. So erhält sie als erste Künstlerin den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst und 2013 den Goldenen Löwen der Biennale Venedig für ihr Lebenswerk. 

Bereits in den späten 1950er Jahren malt Maria Lassnig ihre ersten Körperempfindungsbilder, an denen sie sich bis zu ihrem Tod 2014 in den verschiedensten Varianten abarbeiten wird. Auf den Body Awareness Paintings, wie sie diese Arbeiten selbst nennt, stellt sie ihren eigenen Körper in den Mittelpunkt. Sie abstrahiert physische Empfindungen und macht Emotionen wie Schmerz, Druck oder Spannungen auf der Leinwand sichtbar. Ihre schonungslos offenen Selbstbildnisse werden im Laufe der Jahre immer drastischer: ganze Körperteile fehlen, sie zeigt sich deformiert und mitunter als Mischwesen zwischen Mensch und Tier. Beim Betrachter lösen sie eine ganz spezifische Stimmung zwischen Distanz und Nähe aus. Hierfür entwickelt Lassnig verschiedene Techniken, definiert eine ganze Palette an Körpergefühlsfarben, darunter Gedankenfarben, Geruchsfarben, Fleischdeckfarben, Schmerzfarben, Qualfarben, Nervenstrangfarben, Druck- und Völlefarben, Quetsch- und Brandfarben, Todes- und Verwesungsfarben. Oft malt sie ihre surrealen Figurenkompositionen mit geschlossenen Augen, denn nicht was sie sieht soll zum Bild werden, sondern was sie fühlt. Wie elementar für die Künstlerin die Reflexion des Malprozesses selbst ist, zeigt die Serie Innerhalb und außerhalb der Leinwand [42], die von 1984 bis 1987 entsteht und in der sich die Künstlerin wahrlich irgendwo zwischen ihrer Innen- und Außenwelt – zwischen der Leinwand – zeigt.

Kerstin Reen