+++ "Patricia Piccinini. Fremde Berührung".. am Wochenende von 13-17 Uhr geöffnet +++ 26. - 28.04.2024 Festwochenende mit Kunstmarkt im Felsengarten +++

Susanne Kandt-Horn

* 3. Oktober 1914 in Eisenach
† 11. Juni 1996 in Ückeritz auf Usedom

Text aus dem Katalog zur Ausstellung »Die schaffende Galatea. Frauen sehen Frauen«

Es ist etwas eigenartig an diesen Frauenbildnissen. So als seien sie zugleich nah und fern, von plastischer Körperlichkeit und trotzdem entrückt. Der betont antinaturalistische, statuarische Duktus dieser Bilder ist nicht auf Stimmung und Einfühlung aus. Das Artifizielle der Darstellung – im Grunde flächig trotz markanter Körpervolumen – und die betonte Konstruktion des Bildaufbaus stehen im Dienste gesteigerten Ausdrucks. Das 1970 entstandene Mädchen im Sessel wird ganz von der S-Form dominiert, gebildet vom rechten, über den schräg geneigten Kopf der Figur gelegten Arm und vom linken, der nach unten zum rechten Unterschenkel greift, welcher auf dem linken Oberschenkel ruht. In ihrem Selbstporträt mit Clivia – ein Schlüsselwerk, das in drei Anläufen 1966, 1968 und 1971 Gestalt annimmt und den Wandel zu Susanne Kandt-Horns reifem Stil markiert – hat die Künstlerin ihre Hände in einer Geste erhoben, die aus dem Repertoire der Mudras stammen könnte, bedeutungsgeladener ritueller Hand- und Fingerhaltungen, die in religiösen Kontexten und der Tanzkunst Indiens und Südostasiens verbreitet sind. Beide Hände weisen aufwärts, dorthin, wohin auch die Stängel der ins Riesenhafte vergrößerten Pflanze im Mittelgrund streben. Die beiden anderen Porträts werden beherrscht von Vierecksformen. Bergend und zärtlich hält die madonnenartig nach innen blickende, en face gegebene junge Frau im Bild Am Abend (1974) das kleine Kind in ihren Armen, das seinerseits mit seiner Rechten nach ihrer Hand greift – ihre Arme, ihr Kopf und die Beine des Kindes bilden ein Viereck. Distanz hingegen signalisiert das Viereck aus aufgestützten Armen und Kopf der jungen Frau, die auf dem Bild Christina mit Strauß (1977) gedankenverloren am Betrachter vorbei schaut.

Der Name Susanne Kandt-Horns ist vor allem mit der Künstlergruppe um die Maler Otto Manigk, Otto Niemeyer-Holstein und Herbert Wegehaupt in Ückeritz auf Usedom verbunden, wo die Künstlerin mit ihrem zweiten Ehemann, dem Maler und Grafiker Manfred Kandt, seit 1954 lebt. Einem größeren Publikum bekannt wird sie seit den 1970er Jahren mit Arbeiten, deren Stil ins Monumentale geht und hinter dem man als Anregungen Fernand Léger und Pablo Picasso, aber auch indische Bauplastik ausgemacht hat. In „vereinfachender Plastizität“ (Ursula Mattheuer-Neustadt) 1 und mit einer stark dekorativen, ornamentalen Komponente schafft sie in ihren Gemälden, baugebundenen Arbeiten und Druckgrafiken eine Welt mit dem zeitlosen Hauch eines Arkadien. Eine Welt, die freilich auch gefährdet ist. Susanne Kandt-Horns Gegenentwurf zur zerrissenen Gegenwart ist ausgesprochen weiblich betont: Die zahlreichen Frauenporträts und Akte, die weiblichen Gestalten auf Bildern mit zeitgeschichtlichem und mythischem Bezug strahlen ein unaufgeregtes feminines Selbstgefühl und lebenszugewandte Friedfertigkeit aus. Was ein produktives, gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Mann und Frau nicht ausschließt, sondern bedingt. Der Mensch, so erklärt sie 1988 in einem Interview, sei das Generalthema ihrer Arbeit und ihres Lebens, und sie zögere nicht zu sagen, dass sie ihn preise.

Die offizielle Kulturpolitik der DDR weiß sich das besonders in den 1980er Jahren zunutze zu machen. Nach anfänglicher Kritik wird Susanne Kandt-Horns Kunst „vom verdutzten DDR-Establishment zur Normative umgedeutet. Aus ihrem Menschenbild wurde der gute Soll-Mensch abgeleitet, der vernünftige, den es zu erschaffen und zu erziehen gilt“ 2, wie ihre Tochter, die Autorin Ricarda Horn, in der Rückschau urteilt. Ein Missverständnis, das die Künstlerin damals vielleicht nicht bemerkt oder als unvermeidlich hinnimmt. Sie selbst, u. a. bekannt mit kritischen Geistern wie Wolf Biermann, steht der SED-Diktatur keineswegs affirmativ gegenüber. Was sie in der DDR aushalten lässt, ist das Versprechen einer sozial gerechten Welt. Dass es bis heute nicht eingelöst ist, heißt nicht, dass es von dieser Hoffnung getragener Gegenbilder zu unserer unheilen Welt nicht bedürfe. Auch davon sprechen die Arbeiten der Susanne Kandt-Horn.

Christoph Sorger

  • 1) Susanne Kandt-Horn. Malerei, Grafik. Kunsthalle Rostock (Hrsg.). Rostock 1984, S. 47
  • 2) https://www.susanne-kandt-horn.de/festschrift-susanne-kandt-horn/die-malerin-2/