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Geschichte

Als sich am 20. August 1991 neun Absolventen der Kunsthochschule Burg Giebichenstein zur Gründungsveranstaltung des Vereins “Talstrasse“ trafen, war erst wenige Monate zuvor auf friedliche Weise ein marodes diktatorisches System zerbrochen, in dem alle Gründungsmitglieder aufgewachsen waren und gelebt hatten. Mit Begeisterung, großer Neugier, aber auch einer gewissen Skepsis blickte man in die Zukunft. Getrieben von dem Wunsch, zusammen zu arbeiten und kreativ zu sein, entstand die Idee von gemeinsamen Werkstätten und Ausstellungsvorhaben. Durch glückliche Umstände war es Matthias Rataiczyk im Frühling 1991 gelungen, eine spätklassizistische Villa am westlichen Saaleufer in der Halleschen Talstraße zu sichern. In diesem traumhaften Anwesen mit seiner ruinösen Villa unweit der Burg Giebichenstein lebten und arbeiteten seit den frühen Nachkriegsjahren Absolventen der nahen Kunstschule und es existierten bereits eine Reihe Ateliers sowie Werkstätten für Glas und Weberei.

Den Auftakt der Arbeit des Vereins bildeten Workshops mit Halleschen Architekten, deren Resultate visionäre und reale Ideen für den öffentlichen Raum waren. Erstmals trat der Verein 1992/93 mit Vorschlägen für die Neugestaltung einer Industriebrache, der Kröllwitzer Papiermühle, unter dem Motto „Zustände I + II“ in die Öffentlichkeit. Parallel dazu wurden die ersten Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst konzipiert, insbesondere zu den eigenen Arbeiten der Gründer und denen befreundeter Kollegen. Früh schon galt das Interesse den eigenen künstlerischen Wurzeln und man begann mit der SPURENSUCHE zu Künstlern, die in besonderer Weise mit der Region verbunden waren.

Ab Mai 1994 war es möglich, in den neu geschaffenen Ausstellungsräumen die eigene Kunst der Vereinsmitglieder auch in der Heimatstadt zu zeigen. Gleichzeitig war eine Begegnungsstätte geschaffen worden, in der neben Kunstausstellungen auch Vorträge, Lesungen, Konzerte sowie Feste stattfinden konnten. Mit diesem Schritt wandelte sich die “Talstrasse“ mehr und mehr von einer Künstlerinitiative zu einem klassischen Kunstverein – das eigene künstlerische Schaffen trat in den Hintergrund, während die Neugierde auf Fremdes wuchs. Die Umbenennung in Kunstverein “Talstrasse“ e.V. war eine naheliegende Folge dieser Entwicklung und tatsächlich brachten sich immer mehr kunstsinnige Bürger mit einer Mitgliedschaft ein, so dass 1999 mit dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Klaus-Peter Rauen das hundertste Mitglied begrüßt werden konnte.

Dem Bekenntnis zu Traditionslinien verpflichtete man sich bereits mit der Ausstellung „Halle in der Nachkriegszeit“, die 1993 im Universitätsgebäude „Burse zur Tulpe“ gezeigt wurde. Seither haben weit mehr als 300 Ausstellungen das Profil des Kunstvereins geprägt. Neben der besonderen Auseinandersetzung mit der Kunst und Kultur der eigenen Region strebte der Verein schon in den frühen Jahren überregionale und internationale Zusammenarbeit an, beispielhaft sei die Ausstellung „Mode und Zeit und Traum“ genannt, in die der Hamburger Fotograf F. C. Gundlach eingebunden werden konnte, oder das erste internationale Projekt „Halle meets Prag – Prag meets Halle“, zu dem der damalige Ministerpräsident Sachsen-Anhalts und der Bildungsminister der Republik Tschechien die Schirmherrschaft übernahmen. Der Anspruch, Ausstellungen zu kuratieren, wie sie zuvor in der Stadt nicht zu sehen waren, konnte durch enge Kontakte zu Künstlern, Kunsthistorikern, privaten Sammlern und öffentlichen Institutionen zunehmend realisiert werden. Gemeinsame Projekte mit anderen Kunstvereinen, Künstlerverbänden, Kunsthochschulen, Galerien und Museen erweiterten systematisch die ursprüngliche Intention. Mit Ausstellungen zum Werk von international bekannten Künstlern wie Gotthard Graubner 2005, Giorgio Morandi 2006, Antoni Tapies 2007 oder Alberto Giacometti 2009 schaffte der Kunstverein “Talstrasse“ e.V. den Schritt zu einem renommierten Ausstellungshaus mit überregionaler Beachtung. Dabei war es den verantwortlichen Kuratoren immer wichtig, die regionalen Beziehungen zu den gezeigten Werken und Künstlern zu verdeutlichen, um auf diese Weise eine Verortung vorzunehmen.

Seit dem Jahr 2006 wuchs der Wunsch nach räumlicher Vergrößerung, zumal Besucherströme, Depotkapazität und konservatorische Voraussetzungen immer größere Probleme bereiteten. Gemeinsam mit einer privaten Betreibergesellschaft konnte der Kunstverein in den Jahren 2011 bis Anfang 2017 die Galerie f2 halle für kunst als ein zusätzliches Podium nutzen. 33 Ausstellungen fanden in dem historischen Raum eines ehemaligen Pferdestalls im Stadtteil Giebichenstein statt. Im zähen Ringen kämpfte der Vorstand des Vereins dennoch weiter, um eine Erweiterung des Hauses in der Talstraße zu erreichen. Nach 7 Jahren gelang es dem Vorstand gemeinsam mit Vertretern der Politik, finanzielle Mittel zu erkämpfen. Nach anstrengenden Jahren der Bauaktivität parallel zur Ausstellungstätigkeit konnte am 24. April 2014 das neue Haus, die Kunsthalle des Kunstvereins, ­im Beisein des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff und des Kultusministers, Stephan Dorgerloh, mit der Ausstellung „Die Puppe in der Moderne“ eröffnet werden.