8. November 2018
„They say I should have the book-binding workroom at Giebichenstein – of course I know nothing of book-binding!“
Feininger zum Supper bei Marcks
Am Weimarer Bauhaus ist Feininger einer der Wenigen, mit dem Marcks sich in der Ablehnung des technikorientierten Kurses einig weiß. Auch Feininger verweigert sich der kommenden Entwicklung: „Gegen die Parole: ‚Kunst und Technik, die neue Einheit!‘ lehne ich mich mit ganzer Überzeugung auf … die größte technische Vollkommenheit kann niemals den Gottesfunken der Kunst ersetzen!“ 1Anders als Marcks bleibt Feininger aber am Bauhaus, das ihm in Dessau größere Freiräume gewährt. Für Marcks stellt sich die Situation im Frühjahr 1925 so dar: „Das Bauhaus geht nun nach Dessau, jeder Meister kriegt ein Haus gebaut; aber die Atmosphäre wird wohl ewig politisch bleiben, und ich bin da nicht schlau genug, klug und böse auseinander zu halten. Mit Feininger werde ich immer verbunden bleiben.“ 2 Die Freundschaft der beiden spiegelt sich auch in Porträts, die Marcks von Feininger machte. Erhalten hat sich ein Skizzenblatt aus dem Jahr 1924; verloren gegangen dagegen ist ein Terrakotta-Porträt, das sich in den bei Felix Weise eingelagerten Kisten befand: „Aus Ihrer damaligen Aufstellung geht hervor“, schreibt Marcks 1948 an Weise, „daß verloren sind alle kleinen Stücke, meist Hölzer (verheizt?) und Terrakotten (irrtümlich als Zwieback verspeist?) darunter Porträt Feininger und Itten etc.“ 3
Als Direktor „in Vertretung“ zieht Marcks andere Bauhäusler als Lehrende an die Burg Giebichenstein nach. Dabei denkt er auch an seinen Freund Lyonel Feininger. Der arbeitet 1929 auf Betreiben des Museumsdirektors Alois Schardt an seinem Städteporträt und hat im Tortum der Moritzburg ein Atelier – zwei Jahre später wird sein legendärer 11-teiliger Halle-Zyklus vom Museum angekauft. Marcks hat einen Plan, und um den zu besprechen, lädt er Lyonel Feininger zusammen mit Alois Schardt, Marguerite Friedlaender und Hans Wittwer zu einem privaten Abendessen zu sich nach Gimritz ein. Feininger schildert mit dem ihm eigenen Humor den Abend in einem seiner täglichen Briefe an seine Frau: „Last night Schardt and I were at Marcks’ens to supper. It was very nice … we were together with Margaret Friedlaender and Hans Wittwer. There is much mysterious talk of my coming to Halle and Margaret said they were all so glad. But still, there is much to be thoroughly considered before we decide to leave our home in Dessau, I think, and there is no good in talking too soon about new plans. … There is some question of my having a ‚Lehrstelle‘ without ‚Gegenverpflichtung‘, but to be quite truthful, I do not like even the appearance of an obligation and should prefer to be entirely free to come and go, as now in Dessau. They say, I should have the book-binding workroom at Giebichenstein – of course I know nothing of book-binding! and there are about 30 girls in that workroom! If they decided to want me, how terrible it would be; – they would come and get me! I’ve done with young ladies!“ 4
Bekanntlich wurde nichts aus dem Marcks’schen Plan. Für Feininger war er wohl nie eine Option. Er zieht die Ungebundenheit am Dessauer Bauhaus und das Leben im Meisterhaus der halleschen Ruinenromantik auf Burg Giebichenstein vor. Es scheint, als habe Marcks dem Freund seine Entscheidung verübelt, denn Jahrzehnte später, als sich Marcks’ Erinnerungen zu trüben beginnen, schreibt er Wilhelm Nauhaus: „Feininger hat mich bei seinem Aufenthalt in Halle trotz unserer Freundschaft geschnitten, wohl von Schardt umsorgt – ich möchte aber annehmen, dass er nicht oben auf Giebichenstein sass sondern im Moritzburg Museum; sonst hätte er sich doch verraten müssen!“ 5 Feiningers Absage hat Marcks aber nicht davon abgehalten, ihn während seiner Amerikareise 1950 in New York zu besuchen.
1) Feininger am 1.8.1923 an seine Frau Julia, zit. nach: Hüter 1976, S. 212. 2) Marcks an Richard Fromme, 8.3.1925, DKA, NL Marcks, Gerhard, IIC-10. 3) Marcks an Felix Weise, 20.9.1948, zit. nach: Semrau 1995, S. 106. 4) Lyonel Feininger an Julia Feininger, 15.5.1929, zit. nach: Hüneke 2011, S. 65. 5) Marcks an Wilhelm Nauhaus, 15.5.1965, zit. nach: Semrau 1995, S. 272.
Katja Schneider, Text aus:
»Wir machen nach Halle. Marguerite Friedlaender und Gerhard Marcks«
Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in der Kunsthalle Talstrasse, Halle (Saale)