Die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky darf als eine der ersten Designerinnen der Moderne selbst zum Typus der sogenannten „Neuen Frau“ gezählt werden. So hatte die sozial engagierte Tochter eines liberalen Wiener Staatsbeamten von 1915 bis 1919 als erste und einzige Frau an der Kunstgewerbeschule in Wien Architektur studiert. Mit ihrem bahnbrechenden Entwurf des Prototyps der ersten modernen Einbauküche, der als „Frankfurter Küche“ in die Designgeschichte eigegangen ist, hat sie maßgeblich den täglichen Arbeitsbereich der meisten damaligen Frauen beeinflusst. Die Küche wurde 1926 von Ernst May für das Projekt „Neues Frankfurt“ initiiert und sollte den Frauen die Hausarbeit in der Küche erleichtern. Sie wurde mit dem Ziel entworfen, sämtliche Handlungsabläufe zu rationalisieren und das Arbeiten zu vereinfachen. Die Typisierung, d.h. die Entwicklung eines standarisierten Modulsystems ermöglichte sowohl die Reduzierung der benötigten Grundfläche als auch eine serielle Fertigung und die Senkung der Herstellungskosten. Die „Frankfurter Küche“ war sicher nicht für das gehobene Bürgertum gedacht sondern für die untere Schicht und die Arbeiterklasse.
„Das Problem, die Arbeit der Hausfrau rationeller zu gestalten, ist fast für alle Schichten der Bevölkerung von gleicher Wichtigkeit. Sowohl die Frauen des Mittelstandes, die vielfach ohne irgendwelche Hilfe im Haus wirtschaften, als auch Frauen des Arbeiterstandes, die häufig noch anderer Berufsarbeit nachgehen müssen, sind so überlastet, daß ihre Überarbeitung auf die Dauer nicht ohne Folgen für die gesamte Volksgesundheit bleiben kann.“(Margarete Schütte-Lihotzky in Das neue Frankfurt, Heft 5/1926–1927)
Beitragsbild: Frankfurter Küche . Bild aus Zeitschrift ‚Das neue Frankfurt‘ 1926-1927