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Tatjana Magid-Riester

Ulrich Neujahr

1928

 

Die Frau vor der Landschaft

Eine Frau mit ernsten, vielleicht sogar traurigen Augen sitzt vor einer Landschaft, die alles enthält, was eine Kunstlandschaft ausmacht: einen Berg, eine Kirche und ein Gewässer. Die Palmen und Zypressen sprechen von Italien, der Name der Porträtierten jedoch, Tatjana Magid-Riester, erinnert – zumindest in zweien seiner Teile – an Osteuropa.  Diese Differenz schlägt sich im Bild auch stilistisch nieder. Während die Landschaft die typisch plane Kantigkeit des Expressionismus zeigt, erinnert die Zeichnung der Frau sofort an jene zwiespältige weibliche Erotik, wie sie die Neue Sachlichkeit, namentlich zum Beispiel Christian Schad, erfand. Ulrich Neujahsr Tatjana erscheint als zerbrechliche und doch harte Frau mit einem beinahe abweisenden und doch äußerst aufmerksamen Blick, der mal streng, mal melancholisch wirkt. Im Vergleich zu dieser changierenden Persönlichkeit gibt sich der Hintergrund überraschend eindimensional und eindeutig. Berg, Kirche, Gewässer eben. 

Eine nicht ähnliche, vermeintliche Inkongruenz zwischen der Natur- und der Menschendarstellung findet man schon bei dem Urbild dieses Motivs, bei der Mona Lisa von Leonardo da Vinci. Zu dessen Zeiten, in der Renaissance, war die Darstellung der Landschaft gerade erst in Mode gekommen, noch in der Gotik bestand der Hintergrund von Porträts zumeist aus so schlichtem wie glänzendem Gold. Dass da Vinci sich zweier unterschiedlicher Perspektiven bediente, um einmal die Frau, einmal die Natur ins Bild zu setzen, irritiert den Betrachter –  ganz wie bei Ulrich Neujahrs Bild von Tatjana Magid-Riester. Da Vincis Landschaft wirkt wegen ihrer paradiesischen Topographie beinahe ornamental, was sich auch bei Neujahr wiederfindet, diesmal als jene zeitgemäße grobe Flächigkeit der zwanziger Jahre des 20. Jahrhundert. Auch gibt es beim modernen Neujahr keinen Horizont, ein Bergrücken nimmt dessen Stelle ein. Als fände man das Jenseits nun nicht mehr in der horizontalen, sondern in der vertikalen Ferne. 

Das Mysterium der weiblichen Mimik, das Laien und Experten angesichts der Mona Lisa seit nunmehr fünf Jahrhunderten beschäftigt, dürfte auch bei Ulrich Neujahr nicht leichter zu enträtseln sein. Vor allem das Spiel des Zeigens und Versteckens lädt das Bild mit Bedeutung auf. Der Maler richtet es so ein, dass sein Modell dem Betrachter ganz explizit einen weiteren Teil ihres Körpers vorenthält: die Hände. Tatjana Magid-Riester verbirgt sie unter ihrem gerade vielleicht erst abgelegten Hut, während sie ihr Gesicht scheinbar gänzlich preisgibt.

  

Katrin Schuster

In: Bizarre Begegnung. Bilder schauen dich an. Porträts aus der Sammlung Brabant. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 11. Juli – 8. November 2009 im Stadtmuseum Penzberg