Günter Rössler hat die Geschichte der ostdeutschen Fotografie wesentlich mitgeprägt. Seine Arbeiten sind dabei nicht nur spannende Zeitdokumente, sondern auch einzigartige Kunstwerke. Früh wandte sich der 1926 in Leipzig Geborene der Fotografie zu. Nach einer Lehre als Fotolaborant studierte er von 1947 bis 1950 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in seiner Heimatstadt. Größte Bekanntheit errang Rössler insbesondere durch seine Aktfotografie. Seine erste Aktausstellung, die er 1979 im Kunsthaus Grimma zeigte, erregte in der DDR großes Aufsehen. Mit ihr führte er diese Gattung als ernsthafte und eigenständige Kunstform in die öffentliche Diskussion der DDR ein. Es sind stille, kraftvolle Bilder, deren Zeitlosigkeit und hoher ästhetischer Anspruch den Betrachter bis heute berühren.
Doch Günter Rössler nur auf seine Aktfotografien zu begrenzen, würde seinem Werk nicht gerecht werden. Seine Modefotografien und Reportage-Arbeiten verdienen selbige Anerkennung, auch wenn sie bisher noch im Schatten seiner Auseinandersetzung mit dem Akt stehen. So will die Ausstellung in der Kunsthalle “Talstrasse“ Günter Rössler in der ganzen Breite seines Schaffens vorstellen und dabei das Hauptaugenmerk vor allem auch auf den weniger bekannten Teil seiner Arbeit richten. Denn als Mode- und Reportagefotograf war Rössler nicht nur Chronist, sondern vor allem ein Entdecker, ein Neugieriger, ein Forschender, ein Mutiger und nicht zuletzt ein Wegbereiter. Eine Aufnahme wie die einer serbischen Mutter vor dem Bild ihres gefallenen Sohnes berührt noch immer und lässt uns deren Schmerz bis heute, fast 60 Jahre nach seiner Entstehung, spüren. Es ist ein Bild, das nichts an Aktualität verloren hat und von großer Einfühlsamkeit des Fotografen zeugt.
Von 1954 bis 1990 arbeitete Rössler überwiegend für DDR-Modemagazine wie Modische Maschen und Sibylle sowie die Monatszeitschrift Das Magazin. Diese regelmäßige Präsenz seiner Arbeiten machte ihn in der DDR zu einem der bekanntesten Fotografen. Als 1984 der Playboy unter dem Titel Mädchen aus der DDR einen zehnseitigen Beitrag mit Fotos von Günter Rössler veröffentlichte, wurde der Fotograf aber auch in der Bundesrepublik Deutschland schlagartig bekannt.
Zwischen Rösslers Porträtfotos und den Modefotos scheinen die Grenzen fließend. Es sind inszenierte Aufnahmen. Die Inszenierung erfolgt zwar nie als Pose, doch der Ablauf ist geplant. Ganz im Unterschied dazu stehen seine Aktfotografien, in denen er die Inszenierung zu vermeiden sucht. Anders als Helmut Newton, auch wenn Rössler nach dem Playboy-Artikel gerne als „Newton des Ostens“ gehandelt wurde, dessen Aufnahmen seine eigene Projektion von Erotik sind, gibt Rössler seinen Modellen Raum, um ihre persönliche Erotik auszudrücken und lässt ihnen damit Selbstbestimmung und Individualität. So fokussiert er auf das Innenleben seiner Modelle, wobei ihm die Augen seines Gegenübers stets das Tor zu dessen Seele sind und er zum Gedankenleser wird. Es ist immer der Versuch, Unsichtbares und Verletzlichkeiten sichtbar zu machen und so ist es gerade die Nacktheit seiner Modelle, die dies auf besondere Weise nachempfindbar macht.
Als Rössler 2013 verstarb, hinterließ er hunderte von Abzügen, oft im Zusammenhang mit Layouts, Vorstudien und späteren Abdrucken in diversen Zeitschriften. Die Ausstellung AugenBlicke zeigt erstmalig eine Auswahl dieses Materials und stellt einen sensiblen Künstler vor, der für seine Arbeit lebte. Die Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit Rösslers Ehefrau Kirsten Schlegel, die dem Projekt maßgeblich beratend zur Seite stand.
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Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.